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Along
for
the
Ride

02/23

Ski Spur

@Sherpas Cinema

Sherpas Cinema

Alex Phillips

Bereitest du dich bei der Planung deines Skiurlaubs in ein anderes Land darauf vor, wie es sich dort als fremde Person anfühlen könnte? Wenn du den Schnee, das Gebiet oder gar die Sprache nicht kennst? Katie Combaluzier erzählt uns, wie ein Kurzurlaub in den französischen Alpen ihr Leben für immer veränderte – und von ihrem Weg zu den Paralympischen Winterspielen.

Wer umzieht und die Berge dafür hinter sich lässt, kann es sicher kaum erwarten, wieder Tage im Schnee zu verbringen. Nach dem ersten Jahr ihres Medizinstudiums in Irland freute sich die Kanadierin Katie Combaluzier schon darauf, ihre Ski bald wieder aus dem Keller holen zu können. Die waren seit ihrem letzten Winter im kanadischen Revelstoke zu Staubfängern geworden. Die frühere Skirennläuferin reiste nach Frankreich, um sich dort mit Freunden von Freunden zu treffen. Gemeinsam starteten sie eine Tour in Chamechaude in der Nähe von Grenoble, die mit einem Todesfall und Katies gebrochener Wirbelsäule enden sollte. Fast fünf Jahre später spricht die angehende Ärztin darüber, wie das Gefühl, in einem Land fremd zu sein, ihre Entscheidungen am Unfalltag beeinflusste – und wie ihre Leidenschaft für das Skifahren bis heute allen Widrigkeiten trotzt.

Sieh dir den neuen Film unserer Aspects-Serie « Along for the Ride » an und lies dir dazu gleich noch unser Interview mit Katie Combaluzier durch. 

Watch: <Aspects Ep.04 | Along for the ride>

Hat sich dein Verhältnis zum Skifahren durch deinen Aufenthalt in Dublin verändert?

Auf jeden Fall. Die Saison vor meinem Umzug verbrachte ich in Revelstoke und als ich dann plötzlich weder Schnee noch Berge in meiner Nähe hatte, konnte ich es kaum abwarten. Ich wollte jede Chance zum Skifahren nutzen, die ich kriegen konnte. Ich wollte einfach nur in den Schnee. So kam dann auch der Trip zustande.

Im Film erzählst du, dass an diesem Tag Entscheidungen getroffen wurden, die du sonst niemals getroffen hättest. Was meintest du damit?

Das unbekannte Gelände in einem mir fremden Land spielten bei meinen Entscheidungen an diesem Tag eine grosse Rolle – oder besser gesagt, bei meinen nicht getroffenen Entscheidungen. Meine bewährte «Avalanche Canada» - Vorhersage stand mir an diesem Tag natürlich nicht zur Verfügung, weshalb ich den Einheimischen vertraute. Ausserdem fiel ich durch die Sprachbarriere schnell in die «Follower»-Rolle. Als Nicht-Einheimische hatte ich nicht das Gefühl, ein Mitspracherecht bei den Plänen oder Routen zu haben. Ich fand mich mit dieser passiven Rolle ab und liess die anderen Entscheidungen fällen, ohne diese zu hinterfragen. In den Bergen meiner Heimat, wo ich die Leute und die Gegend besser kenne, hätte ich es niemals dabei belassen. 

«Wenn
man
spĂĽrt,
dass
andere
die
Situation
dominieren,
überlässt
man
ihnen
schnell
mal
die
Entscheidungen.»

Warst du zu diesem Zeitpunkt bewusst, wie viel Vertrauen du den Einheimischen deiner Gruppe bei der Einschätzung des Gebiets und des Lawinenrisikos entgegengebracht hast? Oder wurde dir das erst im Nachhinein klar?

Ich glaube, ich war zu sehr damit beschäftigt, überhaupt hinterherzukommen. Und das ist schon eine Ablenkung an sich. Sie waren die Einheimischen bei dieser Tour und ich «nur» eine Freundin eines Freundes. Ich fühlte mich auch nicht wirklich in Touring-Form, weil ich in Irland nicht regelmässig die Möglichkeit dazu hatte. Wenn du zu einer Tour von jemand anderem eingeladen wirst, entsteht eine andere Dynamik, als wenn du mit Freundinnen und Freunden unterwegs bist, die du kennst und mit denen klare und direkte Verhältnisseherrschen. Ich wollte keine Belastung sein.

Absolut verständlich. Eine Sache, die mir im Film auffiel, waren deine Anmerkungen darüber, wie die Männer der Gruppe die Entscheidungen übernahmen. Wie denkst du über Geschlechterdynamiken beim Outdoor-Sport, mal nicht auf diesen Unfall bezogen?

In einem männerdominierten Sport kann ich als Frau schon schnell das Gefühl bekommen, mich beweisen zu müssen. Oder man möchte zeigen, dass man diesen Platz verdient hat. Ich bin persönlich sehr zurückhaltend und es fiel mir schon immer schwer, meine Meinung zu äussern – ganz besonders, wenn ich mich zahlenmässig unterlegen fühle. Wenn man spürt, dass andere die Situation dominieren, überlässt man ihnen schnell mal die Entscheidungen. Auf Skitour sollten diese aber von der ganzen Gruppe getroffen werden. Alle Meinungen und Ansichten sollten Gehör finden und in Betracht gezogen werden.

Skitour Journal
Katie Combaluzier

Sind dir als kanadische Skiläuferin in Europa an diesem Tag auch kulturelle Unterschiede aufgefallen?

Ja, auf jeden Fall. Ich war zum allerersten Mal in Europa auf den Ski und merkte manche Unterschiede sofort. Man hat die Schneeverhältnisse nicht gecheckt, es gab keine Lagebesprechung mit Gruppenplänen und gemeinsamen Entscheidungen. Es ging alles sehr schnell, als ob wir nur kurz ein paar Runden laufen wollten. Ich vermute, dass das in Europa gewöhnlicher ist. In Kanada muss man sich bewusstsein, dass auch mal niemand in der Nähe sein kann, woraufhin man Risiken anders einschätzt. In Europa hingegen hat man immer einen Ort in der Nähe, wodurch man sich sicherer fühlt. Bei besagter Tour haben wir den Linienbus zum Ausgangspunkt unseres Trails genommen.

In einem Interview für die erste Folge von Aspects erklärte Forrest Schorderet, warum er ganz öffentlich von der Lawine spricht, unter der er und sein Bruder begraben wurden. Was inspiriert dich dazu, deine Geschichte zu teilen?

Ich sehe keinen Grund, ein Geheimnis daraus zu machen. Insbesondere, wenn meine Geschichte anderen helfen kann. Ja, ich erzähle ganz offen von den Fehlern, die ich gemacht habe, damit sich sowas in Zukunft hoffentlich nicht wiederholt. Ich möchte nicht so tun, als ob das einer dieser Unfälle aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände war. Man hätte es verhindern können. Andere Entscheidungen hätten zu einem komplett anderen Ausgang führen können – zum Beispiel das ein Leben bewahrt worden und mir eine Menge Leid erspart geblieben wäre.

«Sprünge,
Buckel
oder
zwischen
Bäumen
hindurch –
das
ist
alles
möglich.»

Willst du wieder Skitouren gehen?

Ich stelle mir schon gern vor, Lines aus eigener Kraft zu bestreiten. Das würde ich wirklich gern tun, aber dafür brauche ich ein Team. Jeder müsste das Risiko auf sich nehmen wollen. Wenn ich mit dabei wäre, eine Lawine geht ab und begräbt jemanden unter sich – was könnte ich dann schon ausrichten?

Das sind wichtige Entscheidungenvon erheblicher Tragweite, das stimmt. Aber wie war es fĂĽr dich, Sitzski zu lernen?

Als ich es zum ersten Mal probierte, dachte ich «hey, das fühlt sich an wie Snowboarden», weil man nur zwei Kanten unter sich hat. Mit ein bisschen Übung und meiner Rennerfahrunghabe ich dann sogar hinbekommenzu carven. Und so fühlt sich das schnell wieder an wie Skifahren im Stehen, auf der Kante und schön in die Kurven legen. Es ist genau das Gleiche. Zuerst dachte ich, ich würde lieber stehend Skifahren. Jetzt erkenne ich aber, wie unabhängig ich beim Sitzskifahren bin und welche Möglichkeiten ich im Sitzen habe. Sprünge, Buckel oder zwischen Bäumen hindurch – das ist alles möglich. Stehend bin ich weniger flexibel, und darauf habe ich keine Lust.

Was hast du all jenen gesagt, die nicht verstehen konnten, dass du nach dem Unfall und der Verletzung wieder skifahren wolltest?

Ich bin mein Leben lang Ski gefahren, aufhören stand nie und nimmer zur Option. Es spielt keine Rolle, dass sich mein Leben durch den Unfall verändert hat. Für mich war es das Natürlichste der Welt. Sitzend oder stehend – im Grunde ist es doch genau das Gleiche. Draussen sein, in den Bergen sein und das Leben geniessen. Es gibt für mich nichts Schöneres.