Sanne.
The
Survivor.
Mountain
of
Angels
1/5

10/2024

Person wearing a Mammut orange jacket with a black hood, standing outdoors in a snowy mountain landscape.

Einst war Sanne ein aufstrebender Star in der Welt des Skisports und bekannt für ihre Eleganz und ihr Können auf den Pisten. Doch eines Tages änderte sich alles. Unmengen an Schnee. Schreckliche Stille. Schritte über ihr. Obwohl Sanne schnell gerettet wurde, löste die Lawine eine posttraumatische Belastungsstörung aus und nahm ihr jede Freude am Skifahren. In der ersten Folge von «Mountain of Angels» erlebst du, wie sich Sanne zurückgekämpft hat, um sich in den Bergen wieder so sicher wie möglich zu fühlen.

Sanne Mona wearing a Mammut orange jacket and black helmet effortlessly glides through pristine snowy terrain, leaving a trail of sparkling powder behind.
Mountain of Angels Folge 1/5: Sieh dir an, wie Sanne nach einem Lawinenunfall wieder auf Ski zurückkehrt.

Mountain of Angels: eine Schweizer Freeride-Serie

Der Name Engelberg als «Berg der Engel» kann kein Zufall sein. Das Schweizer Freeride-Mekka ist weltweit bekannt für seine grossen Hänge, den konstanten Schneefall und seine legendäre Bergsportkultur. In einer Serie aus fünf Episoden erzählen wir die Geschichten «unserer Engel»: Sechs Freerider:innen lassen uns an ihrem Leben teilhaben, alle mit ganz eigenen Verbindungen zu diesem Ort und individuellen Erfahrungen, und verschiedenen Einstellungen.

Sanne Mona

Als Sanne Mona nach Engelberg zog, hatte sie noch nicht einmal ihre Ski dabei. In ihrer ersten Skikarriere macht sich die Schwedin aus Åre einen Namen im Buckelpistenfahren, kann sich aber knapp nicht für die schwedische Nationalmannschaft qualifizieren, und will ihre Profi-Laufbahn aus Frust an den Nagel hängen – bis sie fünf Jahre später die grossen Tiefschneehänge Engelbergs für sich entdeckt. Sanne erinnert sich an die Leidenschaft und Freude am Skifahren. Und startet ihre zweite Skikarriere: als Freeriderin. Sanne fährt aktuell bei den Freeride World Tour Qualifiers und misst sich mit den Besten aus der Szene. Dann passiert das Unglück: Sanne wird von einer Lawine erfasst, kann zwar schnell gerettet werden, leidet aber an den Folgen in Form einer posttraumatischen Belastungsstörung. Im Interview zum Film gibt Sanne weitere Einblicke in ihre Aufarbeitung. 

«Es
war
eher
eine
'Wer
gewinnt'-Situation.
Die
Angst
oder
ich?»

Person wearing a Mammut orange jacket skiing expertly through deep powder snow on a bright, sunny day.

Sannes persönliche Geschichte vom Überleben und ihrer Rettung aus der Lawine

Was ist an diesem Tag genau passiert?


Person wearing a Mammut orange jacket with a black hood, standing outdoors in a snowy mountain landscape.
SanneThe survivor

Wir waren für ein Fotoshooting in Engelberg unterwegs. Wir waren eine nette Truppe, es war ein schöner Tag mit 50 Zentimetern Neuschnee. Wir wussten, dass es ein bisschen riskant werden würde, da es der erste Tag nach dem starken Schneefall war. Wir sind zum Jochstocklift hochgefahren und sind von dort aus nach oben gelaufen. Wir schnallten also unsere Skier ab und unterhielten uns ein bisschen – ein Freund lief vor mir und ich folgte ihm. Es waren vielleicht vier Meter zwischen uns. Als das Gelände steiler wurde, nahm er seine Skier von den Schultern, hackte sie in den Schnee und arbeitete sich so vor. Beim ersten Einhacken hörte ich ein «Wumm», und dann ging alles ganz schnell.

Kam der Unfall aus heiterem Himmel? Hast du dir vorher Gedanken über die Sicherheit gemacht?


Person wearing a Mammut orange jacket with a black hood, standing outdoors in a snowy mountain landscape.
SanneThe survivor

Nein, damit habe ich überhaupt nicht gerechnet. Ich habe vor dem Unfall schon zwei Jahre in Engelberg gelebt und dachte, ich wüsste alles, was passieren könnte. Aber das tat ich nicht.

Kannst du dich an irgendetwas in diesem kurzen Moment erinnern?


Person wearing a Mammut orange jacket with a black hood, standing outdoors in a snowy mountain landscape.
SanneThe survivor

Ich erinnere mich an das «Wumm» und das Gefühl, auf nichts mehr zu stehen. Als ob einem der Teppich unter den Füssen weggezogen wird. Der Boden verschwand. Danach kann ich mich an nichts mehr erinnern. Alles schwarz, bis ich bemerkt habe, dass ich unter dem Schnee feststecke und mich nicht mehr bewegen kann. Ich hörte jemanden schreien, bis ich begriff, dass ich es selbst war. Ich sagte zu mir selbst, ich solle aufhören zu schreien, um Sauerstoff zu sparen. Was für ein seltsamer Gedanke.

«Ich
sagte
zu
mir
selbst,
ich
solle
aufhören
zu
schreien,
um
Sauerstoff
zu
sparen.
Was
für
ein
seltsamer
Gedanke.»

Wie lange warst du unter dem Schnee?


Person wearing a Mammut orange jacket with a black hood, standing outdoors in a snowy mountain landscape.
SanneThe survivor

Ich war nicht lange unter dem Schnee. Ich konnte die Sonde spüren, die meinen Skischuhe traf. Ich hörte, wie meine Freunde über mir liefen und sich unterhielten. Ich konnte nichts sehen, aber ich hörte ihre Stimmen. Ich wusste, dass alles gut werden würde. Und dann gruben sie mich aus.

Wie lange hat es gedauert, bis du verstanden hast, dass du das verarbeiten musst?


Person wearing a Mammut orange jacket with a black hood, standing outdoors in a snowy mountain landscape.
SanneThe survivor

Erst ein halbes Jahr später. Als ich wieder im Schnee unterwegs war, habe ich gemerkt, wie sehr mich das psychisch beeinflusst hat. Ich habe den ganzen Sommer über Anzeichen gemerkt, aber nicht erkannt, dass es sich speziell um Folgen dieses Unfalls handelte. Ich fühlte mich in schaukelnden Gondeln, schnell fahrenden Autos und bei lauten Geräuschen unwohl. Und ich hatte seit dem Ende der Saison Probleme damit, abseits der Pisten zu fahren. Ich traute dem Schnee nicht mehr.

War es keine Option, mit dem Skifahren aufzuhören?


Person wearing a Mammut orange jacket with a black hood, standing outdoors in a snowy mountain landscape.
SanneThe survivor

Das kam mir nie in den Sinn. Nach einer Weile wurde mir klar, dass es für viele die naheliegendste Entscheidung gewesen wäre. Ich hatte eine wirklich schwere Zeit und keinen Spass mehr am Skifahren. Ich habe so sehr gegen diese Angst angekämpft, dass es unangenehm war. Es wurde mehr zu einer «Wer gewinnt»-Situation. Die Angst oder ich? Ich wusste nie, ob es mein Bauchgefühl war oder meine Angst, die mir sagte, dass es nicht sicher sei, wieder einen Abhang herunterzufahren. Aufgrund der PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung), die ich entwickelt habe, dachte ich ständig, dass ich sterben würde. Selbst in Situationen, in denen eine Lawine zu 100 % unwahrscheinlich war. Aber in der Situation war sehr schwer, sich das bewusst zu machen.

Sanne Mona skiing on a snowy mountain wearing an orange Mammut jacket and black pants, with a rocky peak in the background.

Hast du immer noch Angst?


Person wearing a Mammut orange jacket with a black hood, standing outdoors in a snowy mountain landscape.
SanneThe survivor

Ja, ich habe immer noch Angst. Aber ich weiss auch nicht, ob ich keine Angst mehr haben möchte. Die Angst, die ich damals hatte, hat mich dazu gebracht, viel mehr zu trainieren. Mehr über die Schneedecke zu lernen, mit Leuten zu fahren, denen ich vertraue und mehr darauf zu achten, wo, wann und warum ich mich am Berg aufhalte. Das alles musste ich lernen, um meine eigenen Entscheidungen da draussen treffen zu können. Ich möchte nicht von jemandem abhängig sein, der diese Entscheidungen für mich trifft und jemandem einfach nur folgen – denn genau das habe ich an diesem Tag getan.

Wie hast du es geschafft, dich wieder aufzuraffen?


Person wearing a Mammut orange jacket with a black hood, standing outdoors in a snowy mountain landscape.
SanneThe survivor

In den Wochen nach dem Unfall bin ich noch ungefähr zwei Wochen Ski gefahren. Ich stand in der Zeit noch unter Schock und habe nicht viel darüber nachgedacht. Aber dann im Herbst hatte ich direkt ein Fotoshooting im Schnee und mir wurde schnell klar, dass ich auf keinen Fall die Piste verlassen werde. Aber genau das musste ich für dieses Shooting tun. Wegen der Arbeit, ich war Skifahrerin und hatte keine andere Wahl. Ich habe fast den ganzen Tag unter der Skibrille geweint und mich durchgebissen – und da wurde mir klar, dass ich ein echtes Problem habe. Dieser ganze Winter war ein Albtraum. Ich nahm trotzdem noch an der Qualifikationstour teil und fühlte mich an den Veranstaltungsorten auch sehr sicher. Aber es war ein grosses Problem, zu den Startpunkten zu kommen, denn meistens muss man zu Fuss grosse offene Schneefelder überqueren. Das war jedes Mal ein reiner Albtraum.

Wann wurde es wieder besser?


Person wearing a Mammut orange jacket with a black hood, standing outdoors in a snowy mountain landscape.
SanneThe survivor

Letztes Jahr fing es an, sich zu verändern. Also erst fünf Jahre nach dem Unfall. An Tagen mit frischem Pulverschnee und blauem Himmel fährt jeder in Engelberg Ski. Aber zu der Zeit konnte ich das einfach nicht mehr. Ich hatte schon am Tag zuvor Angst, weil ich nicht Ski fahren wollte. Ich habe immer eine Ausrede gefunden, um nicht auf den Berg fahren zu müssen. Und wenn die Leute mich fragten, war es mir peinlich zu sagen: «Nein, ich kann nicht, das ist für mich einfach nicht möglich». Das Lustige daran war, dass die meisten Leute, die mich bei Drehs und Wettbewerben gesehen haben, dachten, alles wäre in Ordnung. Niemand wusste, dass ich ohne einen Guide oder eine Crew, die sich um mich kümmert, nicht mehr auf einen Berg gehen konnte. Dann, ein paar Jahre nach dem Unfall, als es mir etwas besser ging, hatte ich eine Phase, in der ich mit meinem Hund auf den Berg ging und einfach ganz entspannte Sachen machte. Kein Druck, keine Probleme. Als mich damals Leute sahen und fragten, antwortete ich einfach, dass ich mit meinem Hund unterwegs bin. Das war meine Ausrede, um rauszukommen. Endlich konnte ich wieder Ski fahren und war glücklich, meine eigenen Entscheidungen zu treffen und neue Erfahrungen im Schnee zu machen.

«Ich
fuhr
wieder
Ski
und
war
glücklich,
meine
eigenen
Entscheidungen
zu
treffen
und
neue
Erfahrungen
im
Schnee
zu
machen.»

Wie hat diese Erfahrung deine Sichtweise verändert?


Person wearing a Mammut orange jacket with a black hood, standing outdoors in a snowy mountain landscape.
SanneThe survivor

Früher hatte ich das Konzept, dass Mutter Natur alles regelt, nie wirklich verstanden. Seit dem Unfall ist mir bewusst, was das bedeutet – und die Demut davor hat mich fast um den Verstand gebracht. Skifahren bedeutet für viele Menschen die Welt und für mich ist es nicht mehr nur ein Sport. Skifahren ist wie eine Meditation, wenn man da draussen ist, ist es so, als wäre es nicht von dieser Welt. So etwas habe ich bei nichts anderem empfunden und werde es wahrscheinlich auch nie.

Sanne Mona wearing a Mammut orange jacket and black helmet effortlessly glides through pristine snowy terrain, leaving a trail of sparkling powder behind.

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